Beschluss des BGH vom 18.3.2009

Wirksamkeit von Eheverträgen

Leitsatz:

Ein im Ehevertrag kompensationslos vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 I BGB nichtig, wenn die Ehefrau bei Abschluss des Vertrags schwanger ist und die Ehegatten bewusst in Kauf nehmen, dass sie wegen Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte erwerben wird.

Sachverhalt:

Die Eheleute stritten über die Wirksamkeit einer von ihnen getroffenen Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs.

Einen Tag vor der Eheschließung im Jahr 1992 hatten die Eheleute einen notariellen Ehe und Erbvertrag geschlossen, in dem sie u. a. Gütertrennung vereinbart und den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten. Für den Fall der Geburt eines gemeinsamen Kindes sollte die Ehefrau ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend zum Zwecke der Kinderbetreuung aufgeben; sobald das Kind einer ganztägigen Betreuung durch die Mutter nicht mehr bedürfte, sollte die Ehefrau verpflichtet sein, ihre ursprüngliche oder eine andere berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Auf Unterhalt für den Scheidungsfall hatten die Eheleute wechselseitig verzichtet. Allerdings sollte der ein gemeinsames Kind betreuende Ehegatte Unterhalt nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle solange verlangen können, bis die ganztätige Betreuung des Kindes nicht mehr erforderlich sei und der betreuende Ehegatte eine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen könne.

Der Abschluss des Ehevertrags war für den Ehemann Voraussetzung der Eheschließung.

Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der Ehemann Assistenzarzt, die Ehefrau hatte bei Abschluss des Ehevertrags ihre Referendarzeit als Lehrerin abgeschlossen, aber keine Lehramtsstelle erhalten; sie arbeitete deshalb bis zur Geburt des Kindes als Exportsachbearbeiterin. Bis 1995 befand sich die Ehefrau im Erziehungsurlaub. Danach bezog sie Arbeitslosengeld und übernahm ab 1999, Krankheitsvertretungen im Lehramt. Seit dem 5. September 2002 ist sie Beamtin (Studienassessorin) auf Probe.

Das Amtsgericht hatte den Ehevertrag für unwirksam angesehen und den Versorgungsausgleich geregelt.

Das Oberlandesgericht hatte die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde des Ehemannes zurückgewiesen. Hiergegen wendete sich der Ehemann mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde an den BGH, welcher zu dem Ergebnis kam, dass jedenfalls dem vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 138 I BGB die Anerkennung der Rechtsordnung zu versagen sei.

Ausgeführt wurde, dass die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen dürfe, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden könne. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheine. Die Belastungen des einen Ehegatten würden dabei um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung  zu bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreife.

Dabei habe der Tatrichter zunächst – im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle – zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führe, dass ihr – und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen sei, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten.

Erforderlich sei dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstelle, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder.

Subjektiv seien die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen hätten, diesem Verlangen zu entsprechen.

Eine Schwangerschaft der Frau bei Abschluss des Ehevertrages vermöge für sich allein noch keine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages zu begründen. Sie indiziere aber eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Disparität bei Vertragsabschluss, die es rechtfertige, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen, wobei in einer Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen seien.

Bei einer solchen Gesamtschau werde das Verdikt der Sittenwidrigkeit allerdings nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen würden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt werde.

Soweit ein Vertrag der Wirksamkeitskontrolle standhalte, habe sodann eine Ausübungskontrolle zu erfolgen. Dafür seien nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Entscheidend sei vielmehr, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergebe, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar sei.

Nach diesen allgemeinen Maßstäben halte der ehevertraglich vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs vorliegend bereits nicht der Wirksamkeitskontrolle stand.

Schon subjektiv habe sich die Ehefrau bei Abschluss des Ehevertrags in einer gegenüber dem Ehemann deutlich schwächeren Verhandlungsposition befunden:

Neben der bevorstehenden Geburt des gemeinsamen Sohnes hatte der Ehemann wegen seiner diesbezüglichen Vaterschaft auch noch Zweifel geäußert und eine Überprüfung verlangt. Außerdem hatte der Ehemann die Eheschließung vom Abschluss des Ehevertrags abhängig gemacht und den wesentlichen, von ihm gewollten Inhalt des Ehevertrags – ohne Mitwirkung der Ehefrau – ausgearbeitet und dem Notar vorgegeben. Dieser subjektive Druck auf die Ehefrau verschärfte sich durch deren wirtschaftliche Situation, da sie in ihrem erlernten Beruf keine Anstellung gefunden hatte und ohne den wirtschaftlichen Rückhalt der Ehe als ungelernte Kraft und ledige Mutter einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensah.

Dieses Ungleichgewicht zu Lasten der Ehefrau spiegele sich im objektiven Inhalt des Ehevertrags wider, indem zumindest der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs eine – bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses offenkundige – einseitige Lastenverteilung für den Scheidungsfall bewirke, die durch den geplanten Zuschnitt der Ehe nicht gerechtfertigt und durch keinerlei Vorteile für die Ehefrau ausgeglichen worden sei.

Der Versorgungsausgleichs gehöre zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts; auch wenn dies einen Verzicht nicht generell ausschließe. Ein Ausschluss sei aber unwirksam, wenn er dazu führe, dass ein Ehegatte aufgrund des schon beim Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfüge und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheine. Das könne namentlich dann der Fall sein, wenn sich ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss geplant, der Betreuung eines gemeinsamen Kindes gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise in der Ehe verzichtet habe. Das in diesem Verzicht liegende Risiko verdichte sich zu einem Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen wolle und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden könne, wenn die Ehe scheitere.

Diese Voraussetzungen waren gegeben. Nach dem Ehevertrag sollte bei Geburt eines Kindes die Ehefrau ihre berufliche Tätigkeit aufgeben und sich der Haushaltsführung und Kinderbetreuung widmen; die Wahl des Wohnsitzes sollte sich dann nach den beruflichen Gegebenheiten beim Ehemann bestimmen. Erst wenn kein Kind mehr einer Ganztagsbetreuung durch die Mutter bedürfe, sollte diese berechtigt und verpflichtet sein, ihre frühere oder eine angemessene Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Die Ehegatten hätten damit schon bei Vertragsschluss bewusst in Kauf genommen, dass die seinerzeit schwangere Ehefrau alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und damit bis auf weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (außer Kindererziehungszeiten) erwerben würde.

Dieser Verzicht der Ehefrau auf den Ausbau der eigenen Versorgungsbiographie stelle sich als ein bei Vertragsschluss vorhersehbarer ehebedingter Nachteil dar, der umso schwerer wiege, als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine spätere Wiederaufnahme der Tätigkeit der Ehefrau in ihrem bisherigen Betrieb nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts unsicher war und auch mit einer Einstellung der Ehefrau im Lehramtsbereich im damaligen Zeitpunkt nicht gerechnet werden konnte.

Mit dem ehevertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei dieser Nachteil absichtsvoll auf die Ehefrau verlagert worden. Da diese einseitige Lastenverteilung durch keinerlei Vorteil für die Ehefrau kompensiert worden ist, sei er unwirksam.

Kommentar:

Die Entscheidung des BGH steht im Einklang mit seiner Rechtsprechung seit der grundlegenden Entscheidung zur Wirksamkeit von Eheverträgen aus dem Jahr 2004.

Verdeutlicht wurde erneut, wie wichtig es ist, Eheverträge gründlich vorzubereiten, beide Ehegatten in die Ausarbeitung einzubeziehen und einseitige Belastungen zu kompensieren.

Auch für den sogenannten „Kernbereich“ der Ehe können unproblematisch Regelungen getroffen werden, wenn sich das Gesamtbild des Ehevertrages als ausgewogen darstellt.